Corona – Die Realität des Lockdowns

Jan 13, 2021

Ein persönlicher Kommentar.

Winter 2021 am Geisskopf
Photo: Rico @ Geisskopfhütte

So wie auf den Bildern sieht es bei uns momentan aus am Geisskopf. Bestes Winterwetter, bester Schnee. Nach dem katastrophalen ausgefallenen Winter im letzten Jahr ein Lichtblick. Ein perfektes großes weites Gebiet für Familien, zum Rodeln, Skifahren und Wandern.

Die Realität sieht allerdings anders aus. Seit November sind wir wieder zwangsweise geschlossen. Der zweite Lockdown sieht auch im Januar 2021 noch aus, als ob er nicht sobald enden wird.

Keine Lehren aus dem Sommer

In Deutschland hatten wir schon einen erfolgreichen Lockdown im Frühjahr durchgeführt und wurden mit niedrigen Infektionszahlen belohnt, um anschließend diesen Vorteil dann gleich wieder über Missmanagement und Steinzeit-Prozesse zu verlieren. Erfolgreiches Contact-Tracing in Deutschland? Fehlanzeige. Zukunftsgerichtete Schulen und Unterricht? Präsenz und Kreidetafel anstelle von schnellem Internet und iPads. Masken für Mitarbeiter im Gesundheitswesen? Mangelhaft oder nicht verfügbar. Entscheidungen auf Datenbasis anstelle von Symbolpolitik? Arbeiten wie im letzten Jahrhundert ist angesagt im Land. Corona Management per “Guter Hoffnung” und Faxgerät.

Die Willkür der Schliessung

Diejenigen, die seit Beginn der Pandemie damit beschäftigt waren Hygienekonzepte umzusetzen und zu investieren wie z.B. der Einzelhandel, Sport & Freizeit, Gastronomie oder Friseure, wurden dafür jetzt wieder von der Politik geopfert. Dabei hatte Gesundheitsminister Spahn noch im September diesen Schritt eigentlich ausgeschlossen.

Welche Betriebe im zweiten Lockdown der Schliessung unterliegen wurde nicht mit Daten oder Fakten entschieden. Als Unternehmer ist man hier einer willkürlichen Entscheidung ausgeliefert, und leider haben wir mit unserem Geisskopf als Sport und Freizeitgebiet ebenfalls dieses Willkürlos gezogen.

Zeitgleich mit der Zwangsschliessung vieler Unternehmen läuft der noch offene Teil der Wirtschaft nahezu unreguliert weiter. Nicht geschlossene Firmen, Unternehmen, Konzerne können in den jeweiligen Großraumbüros und Teeküchen nahezu machen was sie wollen. Der Spiegel beschreibt es sehr treffend:

Während Privatleben und Freizeit reguliert werden und auch Restaurantbetreiber:innen, Künstler, Friseure oder Ladeninhaber:innen faktisch nicht arbeiten können, bleibt Arbeit überall da erlaubt, wo die Arbeitswelt nicht mit Kundinnen und Kunden in Kontakt tritt, auch in Fabrikhallen und Großraumbüros. Homeoffice wird nur empfohlen. Als wirke das Virus anders, wenn alle drumherum angestrengt für Lohn arbeiten.

Jeder Spielplatz hat im Moment mehr Coronaregeln als das moderne Grossraumbüro. Die Polizei rückt mit Hundertschaften aus, um etwas gegen Familien an der frischen Luft zu unternehmen, während in den offenen Büros der Nation weiterhin Hochbetrieb ist. Ganz zu schweigen von den vielen Menschen in Bussen und Bahnen jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit. Aber Hauptsache die Leute sitzen – symbolisch – nicht im Sessellift, mit Maske, Handschuhen, und Brille an der frischen Luft.

Symbolpolitik anstelle von Fakten

Unser Vorschlag für den Wintersport in unserer Heimat war ein kontrollierter, begrenzter Skibetrieb mit Reservierung auf z.B. „halber“ Kapazitätsbasis unter Einhaltung unserer Hygieneregeln als sicherer Alternative. Alle Konzepte wurden von der Politik nicht mal diskutiert. Man behilft sich lieber mit “15 km” Regeln für “tagestouristische Ausflüge” um die “wilden Familien” in Griff zu bekommen, die trotz der Schließungen in die Berge gehen. Anstelle einen geordneten Winterbetrieb für Einheimische unter Auflagen zu ermöglichen gibt es nur Symbolpolitik, und eine Landesregierung, die anstelle von Daten und Fakten lieber von “Ischgl” spricht. So etwas wie “Ischgl” hat es in den Familienskigebieten im Bayerischen Wald noch nie gegeben hat und wird es auch nicht. Der Wintersport mit der Familie an der frischen Luft war und ist kein Corona Infektionsherd.

Österreich, Schweiz, bald auch Italien und Frankreich machen es anders. Aus Österreich sind auch mittlerweile die ersten Daten aus dem Skibetrieb für Einheimische seit Dezember verfügbar: Konzept und die Hygienemaßnahmen haben dort funktioniert und von den Liften in Österreich sind keine Infektionen ausgegangen oder bekannt.

Ich erwarte, dass es nicht beim zweiten Lockdown bleiben wird. An der „Politik der Guten Hoffnung” hat sich schließlich auch fast ein Jahr seit dem Beginn der Pandemie nichts geändert. Ein Konzept für nach dem Lockdown hat man – wie schon beim ersten Mal – wieder nicht. Ohne Konzept werden die Infektionszahlen nach dem Lockdown wieder nach oben gehen.

Deutschland aus diesem Dilemma retten kann dann wohl nur noch die Impfung. Und hier die nötigen PS auf die Straße zu bringen erscheint leider schon wieder als Überforderung. Telefonleitungen überlastet, Impftermine abgesagt, zu wenig Impfstoff bestellt. Wo andere Länder schon signifikante Prozentzahlen der Bevölkerung geimpft haben, werden hierzulande noch Telefonleitungen (und wahrscheinlich Faxgeräte) geschaltet. Und das Ganze in dem Land, das mit Biontech den ersten Impfstoff überhaupt weltweit hatte.

Ausblick

Für uns als Betrieb ist das Ganze eine Katastrophe. Wir haben massiv in der Region investiert und stehen wieder seit November ohne Einnahmen da, und daran wird sich auch wohl so schnell nichts ändern. Unser Jahresumsatz wird zu über 60% in den Wintermonaten Dezember bis Februar erwirtschaftet. Die Hälfte davon ist jetzt schon verloren. Ob und wie wir überhaupt durch unser saisonales Geschäft Coronahilfen bekommen, steht in den Sternen, zudem die angekündigten Hilfen in vielen Fällen nicht mehr als leere Versprechungen sind. Unsere Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit und wir werden neue Schulden machen müssen, um überhaupt die nächsten Monate zu überleben. Weitere Investitionen, die wir am Berg geplant haben, rücken in weite Ferne oder werden gar nicht mehr möglich sein.

Um auch etwas Positives anzumerken: es gibt viele Politiker aus und in unserer Region sowohl in der Kommunal- und Landespolitik, die sich aktuell wirklich sehr stark für uns und andere Unternehmen in der Region einsetzen. Dies bisher leider noch mit begrenztem Erfolg, da deren Einfluss oft begrenzt ist. Wir sehen diese Bemühungen aber und bedanken uns ausdrücklich für diese Unterstützung.

Familienunternehmen und kleiner Mittelstand haben in Deutschland wenig Lobby und werden auch nicht wie Konzerne vom Staat gerettet. Da wundert auch die neueste internationale Standortstudie des ZEW zum Thema Familienunternehmen in Deutschland nicht: in den Rahmenbedingungen für Familienunternehmen rangiert Deutschland nur noch knapp vor dem Tabellenende. Jeder Unternehmer sollte hier seine Schlüsse ziehen.

Bitte bleibt gesund.

Dominik Poschinger-Bray
Geisskopf.de

Winter 2021 am Geisskopf
Winter 2021 am Geisskopf